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Bitte füttert das Kindle

Eigentlich war es immer lustig: Ich und meine Reisebibliothek. Egal ob es nun in die alte Heimat, in den Urlaub oder nur in die Firma ging, mein Schrankköfferchen, angefüllt mit reichlich Fachliteratur und diversen Magazinen, war nebs Quietscheentchen stets dabei. In jede noch so kleine Lücke wurde der Lesestoff gestopft. Das führte oft so weit, dass der Lesestoff schwerer war, als das Sammelsurium an Pullovern, Hemden, Unterhosen, Hosen, Tshirts, Strümpfe und den Hygieneartikeln. Für ein verlängertes Wochenende außerhalb der Wohnung waren so ca. 2 – 3 kg Lesestoff Pflicht.

Nun, wer selber Buchliebhaber und Fachliteraturjunkie ist, weiß, dass 2 kg Brainfood nicht viel sind. So bringt z. B. die technische Referenz vom Microsoft Server 2008 R2 allein schon gefühlte 1,5 kg Lebendgewicht auf die Waage. Da bleibt nicht mehr viel Freiraum für Belletristik. Zugegeben: Man liest ja nicht immer alles und nicht jedes Fachbuch wird, wie der letzte Triller vom Herrn Koontz, von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen. So könnte man, realistisch betrachtet, die Fachliteratur einfach zu Hause lassen und sich ausschließlich auf Freizeitlektüre besinnen. Wenn da … ja wenn da nicht diese Stimmen wären. Stimmen die einem nahe legen, doch mal in das Buch für Linux-Admins zu sehen, oder mal im neusten Werk von Microsoft Press zum Thema Hyper-V unter Windows Server 2008 R2 zu schnüffeln. Und dann packt man halt reichlich ein.

Die Kameraausrüstung, ein Laptop und das Netbook für das Firmen-VPN noch oben drauf und schon ist man bei einem beachtlichen Kampfgewicht von locker 15 kg ohne Klamotten (sowohl die in der Tasche, als auch jene am Mann). Da ächzt die Waage und jeder feinfühlige Jutebeutel kündigt seinen Dienst. Aber was soll man machen? Um 1800, zur Zeit von Heinrich Schliemann, hätte man einfach mehr Träger angeheuert und die Last so aufgeteilt. Da wir aber nun im 21. Jahrhundert leben, wo Träger nicht mehr so ganz „up to date“ bzw. nicht wirklich als smarte Lösung angesehen werden, wenn man sich nicht gerade auf unwegsamen Pfaden in den Hochanden befindet, muss eine andere Lösung her.

Nun könnte man auf Öko-Klaus machen und seine Kleidung auf die Teile reduzieren, welche man am Körper trägt, oder man schrumpft das Büchermaterial. Letzteres durfte ich tun. Man hatte Mitleid mit mir und nun trage ich meine Fachbücher plus der Freizeitliteratur festgeschrieben auf die traumhaften Maße von 264 x 182 x 89 mm (H x B x T) und mit einem Gewicht von ca. 540 g mit mir herum. Ich bin nun der stolze Besitzer eines Amazon Kindle DX Graphite [KLICK] und gehöre zu den – wie Amazon uns nennt – early adopter in good old germany.

Ich habe nun schon das ganze Wochenende damit gespielt und ich muss zugeben, dass dieses Gerät – trotz einiger Schwächen – mir verdammt viel Spaß bereitet. Ich hatte mir vor einiger Zeit das OYO und vor sehr viel längerer Zeit den eReader von Sony bei Thalia angesehen und keines der Geräte kann mit dem Kindle mithalten.

Zugegeben, die Verpackung macht nicht viel her und Zubehör gibt es keins. In der Packung befindet sich nur eine Schnellanleitung, der Kindle und ein Ladeadapter samt USB-Kabel zum Laden und Synchronisieren. Der Ladeadapter ist für einheimische Steckdosen gänzlich ungeeignet. Ich hätte zumindest einen für die hier heimische Wald- und Wiesensteckdose passenden Ladeadapter erwartet. Fehlanzeige! Auch eine Hülle sucht man für das eBook vergebens in der Verkaufsverpackung. Wer hier gut bedient sein möchte, muss noch einmal ca. 50 – 70 US$ draufzahlen. Irgendwie erinnert mich das an ein Gerät mit einem angebissenen Apfel. Aber gut., so ist das nun mal. Der Markt für Drittanbieter möchte ja schließlich auch etwas vom Kuchen ab haben.

Das Einschalten, Einrichten und mit dem Amazon-Account verknüpfen ging recht flink und ohne größere Probleme von der Bühne. Das Gerät besteht zum größten Teil aus einem matt-dunkelgrauem Kunststoff mit einer Rückwand aus gebürstetem Metall. Am rechten Rand befinden sich drei unterschiedlich große Knöpfe, ein kleiner 5-Wege-Stick und eine Tastwippe. Am unteren Rand findet man die QWERTY-Tastatur. Es gibt keine Umlaute, Ziffern nur über Doppelbelegung und eine geringe Auswahl an Sonderzeichen über eine Sym-Taste. An die Tastatur muss man sich erst einmal gewöhnen. Die Tasten sind sehr klein und besitzen einen kaum erkennbaren Tastenhub. Des Weiteren muss man das Gerät ablegen, um über die Tastatur etwas einzugeben. Das hätte man sicher besser machen können. Aber da man zum Umblättern die Tasten am rechnet Rand verwendet, finde ich die komische Tastatur nicht wirklich störend.

Beim Bildschirm handelt es sich um das E Ink Pearl in der neuesten Generation. Gestochen scharf, der Hintergrund fast weiß allerdings ohne Touchfunktion und passiv. Wenn es also dunkel wird, braucht man Licht zum Lesen. Dafür kann man die Buchstaben auch im Sonnenlicht und bei direkter Einstrahlung noch lesen. Kein Rasierspiegel, kein verkrampftes Lesegesicht, keine verbogenen Augen und keine Notwendigkeit mehr, im Sommer unbedingt den Schatten aufsuchen zu müssen.

Alles in Allem erscheint mir die Verarbeitung sehr gut gelungen. Keine scharfen Kanten, keine großen Lücken zwischen den einzelnen Gehäuseteilen und die Knöpfe machen einen stabilen Eindruck. Als ich das Gerät das erste Mal in der Hand hielt, fühlt ich mich ein bisschen wie Wesles Crusher auf dem Raumschiff Enterprise.

Der Kindle DX bringt nebs gestochen scharfem 9,7″ E Ink Pearl-Screen auch eine schon eingebaute und aktivierte 3G-Verbindung mit. Über diese ist fast weltweit eine kostenlose Verbindung zum Amazon-Store zu jeder Zeit möglich. Keine Zusatzkosten, kein Provider, kein Vertrag… – in Deutschland ist leider auch nicht mehr möglich. Das Gerät hat zwar einen experimentellen Browser an Board, jedoch quittiert dieser jeden Seitenaufruf außerhalb vom Amazon-Store mit einer trotzigen „Due to local restrictions, web browsing is not available for all countries“ Nachricht.

TIPP: Stellt man auf www.amazon.com/myk die Wohnadresse auf eine Adresse in der USA um, dann funktioniert das Browsing auch in Deutschland.

Aber wer möchte mit dem Gerät schon im Netz surfen. Der Browser stellt viele Seiten nicht korrekt dar bzw. lässt kein Scrollen zu. So kann man nur blättern, was dazu führt, dass Seiten ganz komisch umgebrochen werden. Das stört nicht nur den Gesamteindruck der geöffnetes Seite, sondern erschwert teilweise auch das Navigieren. Also am besten deaktiviert lassen. Das schont auch den Akku.

Der Kindle DX besitzt, im Gegensatz zu seinem kleinen Bruder, nur ein 3G-Modul und kein WiFi. Ich hatte mich explizit für den DX entschieden, weil die meisten Fachbücher als PDF und nicht in einem gängigen ebook-Format kommen. Beim PDF muss man leider auf den Luxus des Fließtextes und der anpassbaren Schriftgrößen verzichten, was dazu führt, dass die zur Verfügung stehenden Bildschirmgröße eine nicht unerhebliche Relevanz besitzt. Ich habe meine Entscheidung gegen das WiFi und für den größeren Bildschirm nicht bereut. PDF-Dateien werden gestochen scharf (wenn die PDF aus wirklicher Schrift und nicht nur aus Bildern besteht) und in einer ansprechenden Geschwindigkeit dargestellt. Es können Markierungen vorgenommen werden und es steht eine Suchfunktion zur Verfügung. Kippt man den Kindle, dann stellt er die Leseinhalte auch im Querformat größer dar, nur geht einem das Blättern nicht mehr ganz so leicht von der Hand. Da man das Blättern über die Tasten am Rand bedient und diese ebenfalls gekippt werden, wird an dieser Stelle die Bedienung etwas gewöhnungsbedürftig aber nicht unmöglich.

Soweit meine ersten Eindrücke vom Gerät. Den ausgereiften Eindruck, den es bei mir hinterlässt, kann der Amazonstore leider nicht bestätigen. Hier trifft man als Nutzer aus deutschen Landen noch auf ein Entwicklungsland. Gute deutsche Titel sind rar gesät. Sucht man nach [German Edition], dann befinden sich auf den ersten Seiten zwischen vielen Klassikern von Kant, Schiller, und Goethe, unheimlich viele Erotikbücher. Fachbücher habe ich auf den ersten Blick in deutscher Sprache keine gefunden. Hier sollte Amazon unbedingt nachlegen. Nicht jeder möchte für 5,99 US$ Klassiker von Karl May kaufen, welche man beim Gutenberg-Projekt nebenan kostenlos laden kann. Ach ja: Und man könnte ja Zeitungen über den Kindle beziehen. Auch hier gibt es für den deutschen Benutzer nicht viel zu Lesen. Die FAZ, das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche gibt es im Angebot. Das war es dann auch. Für die erste Generation den in Deutschland zu kaufenden Kindle ist das sicher schon eine Menge, aber für die dritte Generation des Kindles selbst eher zu wenig. Hoffentlich begehen die Herren Entscheider in den oberen Riegen der Printmedien nicht die gleichen Fehler, wie ihre Kollegen in der Musikindustrie und verschlafen den Zug in die neue, strahlende Zukunft.

Was wünsche ich mir für die nächste Generation des Kindles? Technisch gesehen den Wegfall der Tastatur und als Ersatz ein touchsensitives ePaper-Display. Der Rahmen darf gern schmaler werden. Schön wäre es auch, wenn man direkt mit einem Stift auf dem ePaper Notizen hinterlassen könnte, welche in digitaler Form später auf den Rechner geladen oder in die Wolke synchronisiert werden können. Das wäre ein echter Gewinn und ein großer Schritt in Richtung des papierlosen Büros. Ein farbiges Display wäre schön, ist aber meiner Meinung nach kein unbedingtes Muss. Und bitte spendiert dem armen Gerät mehr Speicher! Wir befinden uns schließlich im 21. Jahrhundert. Da besitzt jedes programmierbare Spielzeug mehr als 4 GB Flashspeicher. Von mir aus über eine MicroSD-Karte.

Soweit für heute. Ich denke, ich werde hier noch einige Dinge zum Kindle verlieren. Jetzt gehe ich aber noch ein wenig damit spielen. Man liest sich ….

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7 Comments

  1. Danke für den ausführlichen Bericht. Sollte ich mir vielleicht mal anschauen. Aber irgendwie sagst Du es ja bereits in Deinem Bericht. Die Inhalte.

    Wenn ich mir selbst meine tägliche Zeitung zusammen basteln könnte, das wäre etwas.

    Kann man denn in den USA kaufen? Bei Apple geht das ja nur über Umwege. Und DRM? Kann ich ein Buch auch parallel auf dem Rechner lesen?

    • dasI dasI

      @Kuni: Wenn wir uns das nächste Mal treffen, bringe ich ihn einfach mit. Dann kannst Du ihn auch anfassen. 🙂 Was das Angebot betrifft, sind uns die Amerikaner – wie immer – weit voraus. Schau mal hier: [KLICK] Da kannst Du eine Menge an Büchern kaufen. Auch als Kunde aus Deutschland ist das Kaufen dieser Bücher kein Problem. Ich habe allerdings noch kein Buch gekauft. So weit ich gelesen habe, sind die Bücher jedoch mit einem DRM versehen, was das Lesen auf dem Rechner eher unwahrscheinlich macht. Allerdings sind das bisher nur Vermutungen. *lach* Nur mal ehrlich: Wer will die Bücher auf dem Rechner lesen, wenn er ein Kindle hat? Eventuell noch auf dem iPad. Dort sollte es zumindest mit der Kindle-App gehen.

  2. Das klingt ja alles ganz praktisch und verlockend, aber für mich als Leseratte gehört zum vollen Genuss auch ein dickes, schweres, gerne auch etwas abgegriffenes Buch. Klingt jetzt wohl ziemlich altmodisch, oder?

    • dasI dasI

      Moin Luckner64. Nein, das klingt ganz und gar nicht altmodisch. Ich denke, dass ist einfach eine Sache wann und wo du liest. Im Bett oder beim Reisen an sich, würde ich heute überall das Kindle dem normalen Buch vorziehen. DAs Kindle ist leicht, man bekommt keine verkrampften Arme beim Halten und die Finger bleiben auch geschmeidig, weil man eben nicht die beiden Seiten eines mit 2020 lasergeschnittenen Blättern ausgestatteten Buches auseinander drücken muss. Außerdem habe ich die Volltextsuche in Fachbüchern und Nachschlagewerken auf dem Kindle lieb gewonnen.
      Anders sieht es aber am Strand aus. Hier hat der Kindle nix verloren. Schließlich reagiert dieser auf Wasser und Sand besonders allergisch. 🙂 Auch würde ich meinen Kindle nie an jemand anderes verleihen, geschweige denn ihn über bookcrossing auf die Reise schicken. Hier passt ein traditionelles Buch viel besser. 🙂

  3. john_do john_do

    Hallo,

    Da ich anfange meine Büchersammlung zu digitalisieren, ist natürlich ein e-book Reader eine Sinnvolle Alternative, egal in welcher Form, ob Hard- oder Software.
    Vom Preis her ist der kleine Kindle recht interessant, aber als ich in dann in der Hand hatte und damit meine PDF’s lesen wollte, das ging gar nicht.
    Habe mich dann für einen gebrauchten DX entschieden, und muss sagen, das ist genau das richtige, damit macht lesen Spass.
    Bin gespannt, da ja nun neue Kindle auf den Markt kommen ob es auch ein neues DX Modell geben wird, oder ob die 10″ Version irgendwann verschwinden wird. Wäre Schade. Ist schon schlimm genug, das man dieses Gerät nur über den Umweg USA oder gebraucht hier in Deutschland beziehen kann.

    • dasI dasI

      Hoi, wo Du Recht hast, da hast Du Recht. Ich hatte mir auch den DX gekauft, eben weil PDF-Dateien halbwegs gut darauf zu lesen. Ob der DX eine Überarbeitung bekommt, wage ich zu bezweifeln. Leider hat sich Amazon ja dazu entschieden, mit dem Kindle Fire einen Vorstoß auf dem Tablet-Markt zu unternehmen. Damit haben sie ein neues Device, dass ein größeres Display mitbringt. Da die kleine Serie nun überarbeitet wird, sind alle Plätze neu besetzt. Leider!
      Ich finde es auf jeden Fall schade und ich frage mich, warum der Markt noch eines dieser mittelmäßigen Tablets benötigt. Klar, Amazon will zumindest in der USA damit ihren Shop für multimediale Inhalte nach vorne bringen, aber bezüglich der ganzen EBook-(Erfolgs-?)Geschichte empfinde ich das als Rückschritt. Ich hatte auch auf eine Überarbeitung des DX gehofft. Schließlich ist der im Firmware eine ganze Generation hinter der „normalen“ Kindelserie zurück. Vor Allem, absolut lächerlich finde ich, dass die PDF-Funktionalitäten auf dem 6″-Device wesentlich weiter sind, als auf dem DX. Aber alles Heulen nützt hier nichts. In Deutschland brauch die Buchindustrie bzw. die Verlagshäuser – wie schon die Musikindustrie vor ihr – sowieso noch mindestens ein Jahrzehnt um mit zu bekommen, dass das digitale Zeitalter schon längst eingeläutet wurde und es an der Zeit ist, da mal aktiv zu werden. 🙂

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